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Top On The Rocks – Fahrtest Santa Cruz Tallboy CC XO AXS RSV

Wenn die Sonne draufscheint, strahlt das Santa Cruz Tallboy. Schon im Stand wirkt es kraftvoll, dynamisch und rasant. Kommt es einmal richtig in Fahrt, sind selbst routinierte Biketester begeisterungsfähig.

Facts

Ein rasantes Down-Country-Bike mit Carbonrahmen, VPP-Hinterbau, 130/120 Millimetern Federweg, dazu die neueste SRAM Eagle Transmission AXS XO-Schaltung. Mit knapp 13 Kilo ist das Trail- und Touren-Fully bergauf wie bergab ein flinker Bursche. Preisklasse: Gerade noch vierstellig.
Santa Cruz Tallboy – edel, leicht und top verarbeitet.

 Inhalt

 | Fahrtest Santa Cruz Tallboy CC XO AXS RSV

Beim Aufsitzen stellte sich eine spontane Vertrautheit mit dem Santa Cruz Tallboy ein. Das Bike fühlt sich rundum angenehm und handlich an. Man sitzt dank ausgereifter Geometrie unspektakulär sportlich, leicht gestreckt und ausgewogen, bei moderater Sattelüberhöhung und entspannt positioniertem Cockpit mit angenehm breitem Lenker. Die Federelemente generieren einen satten Sag, wodurch nach oben und unten in beide Richtungen eine sensible und gut tarierte Impuls-Balance anliegt. Per Variostütze lässt sich der Fahrer-Schwerpunkt abfahrtstauglich bis zu 16 Zentimeter tieferlegen. Klares Feedback: Dieses Bike hat man perfekt im Griff.

Steifer Rahmen

Sobald es rollt, verhält sich das Santa Cruz Tallboy wunderbar solide und vorhersagbar. Das hat viel mit der seitensteifen Auslegung von Rahmen und Hinterbau zu tun. Und den leichten, breiten Reifen. Auf festem Untergrund dirigiert die Lenkung das Vorderrad millimetergenau dahin, wo man es haben möchte. Onroad laufen die moderat profilierten Tubeless-Reifen leise und mit wenig Rollwiderstand.

Offroad wird schnell klar, dass dieser Carbonrahmen aus voluminösen, nach Kräfteverlauf konturierten Rohren nicht nur optisch stark ist: Mit Bravour widersetzt er sich jeglichen Torsionskräften vom übermütigen Antritt des Testers. Das Tallboy steuert sich auch im Gelände präzise, stabil und sicher. Es hält souverän die Spur, auch wenn der grobe Untergrund rumpelt. Vor allem die geschmeidigen, leichten Tubeless-Reifen laufen mit hervorragenden Grip und Abrollverhalten. Sie halten das Bike auch in losem oder steinigen Geläuf sauber in der Spur und absolvieren kritische Stellen, indem sie selbst fiese Hindernisse einfach locker überrollen.

Was überrascht und mit jedem Meter mehr begeistert: Das Santa Cruz Tallboy geht so mühelos wie stürmisch nach vorne, fast wie ein Rennrad. Auch die Lenkung reagiert leichtgängig und so reaktionsfreudig, dass man sich als Fahrer disziplinieren und  bewusst Körperspannung in den Unterarmen aufbauen muss, um nicht permanent im Slalom durchs Gelände zu rollen.

Die Rohre des Hauptrahmens sind voluminös, tragen aber durch die weiße Lackierung nicht so stark auf. Im fetten Unterrohr nutzt Santa Cruz den Hohlraum mit einer Art Handschuhfach clever als Stauraum. In passend geschneiderten Futteralen lassen sich nützliche Dinge wie Ersatzschlauch, Minipumpe oder Tool elegant und klapperfrei im Rahmen unterbringen. Der auch mit Handschuhen leicht verriegelbare, abnehmbare Deckel bietet zudem zwei Gewinde für einen Flaschenhalter.

Fast könnte man im so voluminösen Unterrohr einen Akku, im Tretlager einen Motor vermuten. Doch wäre das ein Sakrileg ob der Reaktionsfreude und Leichtfüßigigkeit des Tallboy. Hier wird ausschließlich selbst getreten. Und dafür mit einer Extra-Portion Fahrfreude belohnt.

Kunststück Hinterbau

Die Hinterbauschwinge ist in einem Stück laminiert: Das ist konstruktiv nicht dumm, denn der Einteiler kann sich unter den hier vorherrschenden Kräften aus verschiedenen Richtungen weit weniger in sich verwinden als etwa ein Viergelenker. Zur Anbindung an den Hauptrahmen arbeitet eine Anzahl gefräster Alu-Umlenkhebel fast wie ein Parallelogramm, nach dem sensiblen VPP-Prinzip mit virtuellem Drehpunkt.

Der Stabilität und Langlebigkeit zuliebe haben die Konstrukteure die gedichteten Kugellager am Hinterbau nicht in die schwieriger zu bearbeitenden Carbon-Bauteile eingearbeitet, wo die Lagersitze zudem leichter ausschlagen könnten. Stattdessen wurden alle Lagerringe in die CNC-gefrästen, weit härteren Alu-Hebel verlegt.

Zudem gibt Hersteller Santa Cruz eine lebenslange Garantie für den Erstbesitzer – nicht nur auf die Kugellager, sondern auch auf den gesamten Carbonrahmen sowie sämtliche im eigenen Haus gefertigten Teile wie Lenker, Felgen und sogar die Tubeless-Ventile. Auch das üppige maximal zulässige Fahrergewicht von 135 Kilogramm spricht dafür, dass die Santa Cruzer ihrem Material etwas zutrauen.

Selbst während eines Beschleunigungs- und Bremsvorgangs kann der Hinterbau jederzeit sensibel federn, er verhärtet unter Kettenzug nicht und taucht weder unkontrolliert ein noch aus. Gleichzeitig vermeidet die gut austarierte Kinematik Pedalrückschlag.

Gerade in den kleinsten Gängen im Wiegetritt bergauf kämpfen viele Hinterbau-Konstruktionen damit, dass die Kettenstrebenlänge durch die Bewegungen des Hinterbaus variiert, da sich beim Einfedern permanent die Distanz zwischen Tretlager und Hinterradachse ändert. Das spürt man beim Pedalieren als eine Art Rückschlag, einen pumpenden Zug auf der Kette. Damit entsteht ein unrunder Tritt, die kontrollierte Kraftübertragung ist beeinträchtigt.

Die Einfederbewegung am Tallboy-Hinterbau verläuft zu Beginn besonders leichtgängig und sensibel, zum Ende des Federwegs und bei starken Schlägen wird sie progressiv und damit entsprechend härter. Das macht den Hinterbau sowohl komfortabel als auch definiert und harmonisiert das Fahrverhalten.

Anspruchsvoller Rahmenbau

Santa Cruz ist einer der wenigen Bike-Hersteller, der über eine eigene Produktion verfügt. Die nutzen. In langjähriger Praxis bei Engineering und Produktion ist umfangreiches Spezialwissen entstanden, auf das die hauseigenen „Enginerds“, wie Santa Cruz sie nennt, zurückgreifen. Auch die Carbon-Experten von Reserve, dem assoziierten Hersteller der Carbon-Felgen und -Lenker, greifen auf diese Expertise zu. Es gibt da einiges, das sie anders machen als andere Hersteller.

Beispielsweise passt Santa Cruz die Rahmenproportionen des Tallboy an jede einzelne der sechs erhältlichen Rahmengrößen an. Mit zunehmender Rahmengröße verlängern sich proportional auch Kettenstrebenlänge und Radstand, indem die Drehpunkte von Hinterbau, Umlenkhebeln und Dämpfer angepasst werden.

Zudem wird der Sitzwinkel größerer Rahmen geringfügig steiler. Das bewirkt, dass unterschiedlich große Fahrer und Fahrerinnen auf unterschiedlich großen Rahmen immer mit vergleichbarer Balance platziert sind. Relative Position und Schwerpunkt des Fahrers im Verhältnis zu Vorder- und Hinterrad bleiben so über alle Größen hinweg vergleichbar. Und damit eben auch das erwünschte Fahr- und Fahrwerksverhalten.

Längere Rohre weisen aufgrund der Hebelverhältnisse bei gleicher Materialgüte eine geringere Biege- und Torsionssteifigkeit auf als kurze. Zudem sind größere Fahrer schwerer und belasten die Rahmen stärker. Daher verwendet Santa Cruz mehr Carbonlagen an den notwendigen Stellen, um die Rahmensteifigkeit größerer Rahmen zu erhöhen.

Dass dabei der gesamte Hauptrahmen für jede Rahmengröße neu gebaut werden müssen, geht zulasten größerer Stückzahlen und ist damit sehr kostenintensiv.

Long may you run

Die Themen Langlebigkeit und Nachhaltigkeit setzt Hersteller Santa Cruz großzügig um: Auf eigene Carbonrahmen, -hinterbau, Hinterbau-Lager, Carbon-Lenker, Flaschenhalter sowie Reserve-Felgen gewährt Santa Cruz für Erstbesitzer eine lebenslange Garantie.

Bei Schäden, die nicht unter die Garantie fallen, gibt es immerhin vergünstigte Ersatzteile. Auch für ältere Modelle bis zurück zum Jahrgang 2009 hält Santa Cruz noch alle Ersatz- und Kleinteile wie Umlenkhebel, Lagerringe, Schaltaugen oder Schraubensätze vor.

Superleicht und rollig

Die eigentlich prägende Charaktereigenschaft des Santa Cruz Tallboy ist seine außerordentliche Agilität. Hauptsächlich verantwortlich dafür sind seine Laufräder: Die sind besonders drehfreudig und beschleunigungsstark dank superleichter Carbonfelgen. Felgenhersteller Reserve, der ebenfalls zu Santa Cruz gehört, entwickelt und baut Felgen und andere Carbon-Komponenten für Rennrad- und MTB-Einsatz, die trotz höchster Leichtigkeit so stabil sein sollen, dass man sich traut, ohne weiteres Gewichts- oder sonstiges Limit darauf eine lebenslange Garantie zu geben.

Im Fahrtest fielen die Laufräder gleich auf den ersten Metern durch ihre Leichtfüßigkeit und geringe Rotations- und Lenkkräfte auf. Die Ursache liegt in den Hebelgesetzen: Es ist vorteilhaft, wenn sich so weit entfernt von der Achse als Drehpunkt möglichst geringe Masse befindet, die es in Rotation zu versetzen gilt. So benötigt man weniger Energie, um ein Laufrad zu beschleunigen, in Rotation zu halten und zu stoppen.

Das funktioniert natürlich nur, wenn, wie hier, auch relativ leichte Reifen montiert sind. Die schnellen, aber griffigen Maxxis Forekaster 29 x 2.4 Zoll sind mit 945 Gramm pro Stück eine gute Wahl. Auch die Lenkung wird dadurch sensibler. Man benötigt zum Einlenken weniger Kraft, da bei niedrigeren Fliehkräften auch die beharrenden Rotationskräfte eines rollenden Rads kleiner sind. Das macht die Lenkung des Tallboy extrem leichtgängig und sensibel.

Das Tallboy legt daher bei jedem Antritt stürmisch los und lässt sich außerordentlich dynamisch bewegen. Das tritt natürlich auch beim Klettern an steilen Rampen und langen Anstiegen besonders positiv in Erscheinung. Das Bike ist bergauf eine regelrechte Bergziege.

Begrüßenswert ist auch das geringe Gesamtgewicht. Das Tallboy ist nicht gerade revolutionär leicht, aber gewogene 12,9 Kilo ohne Pedale in Größe M sind für ein Fully mit derartigen Federwegen sehr respektabel. Das Tallboy fährt sich nicht nur extrem dynamisch, es klettert auch willig. Das macht es zum idealen Bike für ausgedehnte Touren mit vielen, langen oder harten Anstiegen, wie das bei einigen der Testfahrten im piemontesischen Hügelland charaktristisch ist.

Selbst offroad waren leicht verblockte Anstiege auf ungepflegten Karrenwegen und Fußpfaden noch gut fahrbar. Beeindruckt hat uns auch, wie sich die ausgewogene Lenkung auf engen Trails spielerisch, reaktiv und leichtgängig, auf schnellen Abfahrten dagegen laufruhig und stabil verhielt. Einzig beim langsamen Kurbeln bergauf reagiert sie einen Tick zu leichtgängig auf die Gewichtsverlagerungen des Bikers im Wiegetritt. Bei längeren Anstiegen gerät man dabei leicht in einen Zick-Zack-Kurs, den man dann aktiv korrigieren muss.

Perfekte Druckverhältnisse

Ein weiteres, cleveres Gadget der hauseigenen Denkfabrik, das man nicht übersehen sollte, steckt in den Carbonfelgen: Die Fillmore Tubeless-Ventile sehen zwar fast aus wie reguläre Sclaverands, sind es aber nicht. Die Fillmore-Ventile sind etwas länger, dicker und haben laut Hersteller einen dreifach größeren, größer dimensionierten Luftdurchlass. Daher können sie durch die Reifendichtmilch nie so verkleben, wie das viele konventionelle Sclaverand- oder Auto-Ventile tun, die man dann regelmäßig ausbauen und mühsam reinigen muss.

Man erlebt es bei Tubeless-Reifen leider viel zu oft, dass die Pumpe kaum Luft durch die verklebten Ventile in den Reifen bringt. Auch beim kontrollierten Ablassen zur Anpassung des Reifendrucks machen Ventile jeglicher Bauart oft Ärger, weil verklumpte Dichtmilch-Reste in sämtlichen Ritzen und Winkeln pappen. Nicht so hier: Die Fillmores, die ebenfalls vom Carbon-Felgenhersteller Reserve stammen und eine lebenslange Garantie besitzen, erleichtern dank großem Luftdurchsatz auch die Montage der Tubeless-Reifen, bei der schnell ein großes Luftvolumen benötigt wird, um die TL-Reifen auf die enge Felgenschulter zu bekommen.

Im gesamten, mehrmonatigen Testzeitraum bescherten uns die Fillmores leichtgängiges Pumpen und exakte abstimmbare Druckverhältnisse an beiden Laufrädern.

Volle Bremskontrolle

Die schlanken Level-Scheibenbremsen von Sram sind mit ihren beiden 180 Millimeter-Discs gut bestückt. Die Bremshebel stehen, werkzeuglos verstellbar und ergonomisch perfekt, genau dort, wo die Zeigefinger zu liegen kommen. Und mehr als einen Finger pro Bremse braucht es nicht: Feinfühlig lässt sich die Fahrgeschwindigkeit modulieren, mit geringster Fingerkraft und auf nur wenigen Millimetern Hebelweg. Srams Level-Discs sind leichte, wettbewerbstaugliche Cross Country-Bremsen, stoppen aber, falls erwünscht, auch rabiat und innerhalb kürzester Distanz.

Die Hebel sind mit ihrer schlanken Stealth-Bauweise so konstruiert, dass sie nur wenig Platz am Lenker beanspruchen und optisch nicht auftragen: Sie sind nicht breiter, als der Carbonlenker dick ist. Aus Fahrerperspektive verschwinden sie daher komplett aus dem Blickfeld. An ihre Matchmaker-Schelle rechts dockt auch der Pod, der Impulsgeber der elektrischen AXS-Schaltung, an. So ist nur eine einzige Schelle pro Lenkerseite nötig, das Cockpit wirkt aufgeräumt und bleibt leicht.

Aufgeräumtes Cockpit

Die Bremsleitungen laufen in schrägem Winkel aus den Sockeln der Hebel, so dass die Leitungen näher als bisher parallel am Lenker entlang verlaufen – ein weiterer, großer Schritt hin zu aufgeräumter Optik. Auch die Level-Bremszangen wirken filigran und leicht, obwohl sie mit vier Kolben und entsprechend hohem Verzögerungsvermögen ausgestattet sind. Die Bremsanlage hat uns mit perfekter Dosierbarkeit und souveräner Bremskraft überzeugt.

Besonders angenehm: Schalt-Pod und Bremshebel lassen sich so ausrichten, dass der Daumen auf den Schalttasten und beide Zeigefinger immer auf dem Bremshebel liegen können. Die Bremskraft ist definitiv hoch genug, dass die Ein-Finger-Bedienung in allen Fahrsituationen unserer Teststrecken ausgereicht hat, egal ob unter Trial-Bedingungen in Schrittgeschwindigkeit auf verwilderten, kurvigen Trails zwischen verlassenen Bergdörfern der italienischen Seealpen oder bei rauschenden Highspeed-Abfahrten auf Asphalt bei der abschließenden Höhenmeter-Vernichtung auf der Rückfahrt ins Tal.

Federn und dämpfen

Federwege von 130 Millimeter vorne und 120 Millimeter hinten hat man früher bequemeren Marathon-Bikes zugestanden. Heute wird, im Unterschied zu den noch kernigeren, auch schwereren All-Mountains, dazu meist die Verlegenheits-Kategorie Down-Country dazwischengeschoben: Sie mischt leichtes, schnelles Crosscountry-Material mit flacherem Lenkwinkel, großzügigeren Federwegen und breiten Reifen für verbessertes Abfahrtsverhalten, so wie hier. Eine ziemlich ideale Kombination, wie sich am Tallboy zeigt.

An Gabel und Hinterbau fühlten sich die 130/120 Millimeter des Tallboy kaum anders an als 150/140 Millimeter am Propain Hugene, einem weiteren Testbike, mit dem wir zu der Zeit unterwegs waren. Beide Fahrwerke hatten wir soft abgestimmt, um sensible Ansprache und effiziente Nutzung des Federwegs zu erreichen. Am Abend zeigt  ein Blick auf die Gummiringe am Gabel-Standrohr und Dämpfer-Kolben, dass ein Großteil der möglichen Federwege beim Fahren auch genutzt wurde.

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Federung am MTB so unauffällig arbeitet, dass man erst an den Gummiringen erkennt, was sich dort tatsächlich getan hat. Und welche Reserven sie sich noch aufgespart hat. Dann ist auch klar, dass das Fahrwerk effizient arbeitet und tut, was es soll: Die Reifen möglichst oft und lang am Boden halten. Und damit ruppige Strecken erst fahrbar zu machen.

Zieht man gedanklich die zusätzliche Dämpfung der jeweiligen Reifen ab, waren sich beide Testräder, die zudem ähnlich konstruierte Hinterbauten besitzen, charakterlich näher als vermutet. Auch auf ruppiger Strecke mit schnellen Schlägen und vereinzelten Stufen von 20 bis 30 Zentimetern schlug das Popometer auf dem Tallboy immer eindeutig auf die Komfortseite aus. Selbst an kritischen Stellen war immer das Vertrauen da: Das Bike macht das schon!  

Die Schaltung neu erfunden?

Die Eagle Transmission AXS, Srams allerneueste Version der funkgesteuerten Kettenschaltung in der leichten und hochpreisigen XO-Version ist ein adäquater Partner des gelungenen Tallboy-Konzepts und arbeitete schnell, zuverlässig und komplett störungsfrei. In der aktuellsten Transmission-Version setzt SRAM das Schaltwerk mit einer stabilen, zweifingerigen Aufnahme direkt an das speziell dafür konstruierte UHD-Ausfallende.

Da, wo die Rohre von Sitz- und Kettenstrebe aufeinandertreffen und auch die Hinterradachse sitzt, bietet das UHD (Universal Derailleur Hanger) -Ausfallende eine exakt befräste Bohrung, die außen eine Hohlschraube mit der Schaltwerkshalterung und von der Rahmen-Innenseite her eine Buchse für das Gewinde der hinteren Steckachse aufnimmt.

Schaltwerkshalterung und Gewindebuchse werden in der Rahmenbohrung miteinander verschraubt, die Steckachse des Hinterrads findet dann im Innengewinde dieser Befestigungseinheit Halt. Diese Sandwich-Konstruktion liefert dank größererer Durchmesser und Kontaktflächen eine deutlich stabilere Position für das Schaltwerk gegenüber dem bisherigen, traditionellen Montageprinzip mit Wechselschaltauge.

Ist die UHD-Montage unter Einhaltung der unterschiedlichen Drehmomentvorgaben einmal korrekt erledigt, reagiert das Eagle-Schaltwerk bei eventuellen Anstößen aus Fahrtrichtung, indem es sich am Drehpunkt parallel nach hinten wegdreht. Es muss dann von Hand unter Lockerung der Verschraubung wieder in die ursprüngliche Position gebracht werden. Seitlichen Schlägen nimmt es die Spitzen, indem sich das Schaltwerks-Parallelogramm mitsamt Käfig und Schaltröllchen einige Millimeter weit nach innen aus- und selbsttätig wieder einklinkt.

Diese Schutzfunktionen sollen teure Schaltwerks- oder gar Rahmenschäden vermeiden. Einzelne Bauteile des Schaltwerks wie Käfig, äußere Scratchplate oder Schaltrollen, sind demontierbar und können separat als Ersatzteil nachgekauft und montiert werden.

So schaltet sich die Eagle Transmission

Die Auslösung der Gangwechsel geschieht latenzfrei und exakt. Das AXS-Schaltwerk kann sich nicht mehr verstellen, wie das bei mechanischen Schaltzügen durch Längung und Verschleiß im Laufe der Zeit unvermeidbar war. Dennoch gibt es hier eine Trimm-Funktion, die man per AXS-App oder händisch an den Funktionstasten aktiviert. Sie kompensiert Setzbewegungen im Hinterbau und den Montagepunkten, indem sie die Schaltwerksposition bei Dedarf in je sieben Schritten von je 0,2 Millmetern nach außen und innen korrigiert.

Kettenrasseln durch Schräglauf an der Kassette mit 10 bis 52 Zähnen gehört damit definitiv der Vergangenheit an. Das vermittelt einen Begriff davon, wie eng die Toleranzen der neu konstruierten Eagle Transmission-Schaltung ausgelegt sind.

Die Flattop-Kette mit asymmetrischem Laschen-Design sowie die Zahnprofile am Kettenblatt und die Ganggassen der Kassette sind exakt aufeinander abgestimmt und wurden als integriertes System entwickelt. Man muss also zwingend innnerhalb der SRAM-Systematik bleiben, wenn es um Ersatzteile oder Upgrades geht. Doch das ist bei anderen Schaltungsherstellern auch nicht anders. Die ursprünglich sehr hohen Preise, die SRAM für Eagle Transmission-Komponenten aufruft, haben sich schon im ersten Halbjahr nach Veröffentlichung durch weit realistischere Straßenpreise entschärft.

Dennoch bleibt die Eagle Transmission AXS-Schaltung, von der die miteinander kompatiblen, unterschiedlich schweren Varianten XX, XXL, XO und GX angeboten werden, insgesamt betrachtet eine vergleichweise teure Angelegenheit.

Mehr Stress mit Strom?

Schade finden wir, dass es mit dem AXS-Akku und der CR2032-Knopfzelle zwei unterschiedliche Stromquellen für Schaltwerk und Pod gibt, die beide im Auge behalten werden wollen. Ihr Ladezustand lässt sich jederzeit in der App oder an der Farbe ihrer Funktions-LEDs ablesen. SRAM gibt eine Lebensdauer von zwei Jahren für die Schalt-Batterie und von mindestens 20 Stunden reine Fahrzeit für einen AXS-Akku an.

Der ist innerhalb der AXS-Systematik mit anderen AXS-Komponenten wie Reverb-Variostütze, Flight-Control-Fahrwerkssteuerung oder Road-Schaltwerken wie SRAMs Red, Force und Rival eTap kompatibel. Er wiegt nur 23 Gramm und lässt sich mit dem USB-Ladegerät innerhalb von 45 Minuten von 0 auf 100 Prozent laden. In der Praxis sind es meist sogar einige Minuten weniger, das haben wir nachgeprüft.

Da die Funkverbindung zwischen Pod und Schaltwerk auch Strom kostet, wird sie durch einen Bewegungssensor kontrolliert: Steht das Bike länger, schaltet nach einigen Minuten die ANT+-Funkstrecke ab. Sie baut sich automatisch neu auf, sobald sich das Bike wieder bewegt.  Das bedeutet aber auch, dass eine längere Auto- oder Zugfahrt durch die permanenten Erschütterungen dem AXS-System ständig eine Fahrsitiuation vorgaukelt. Dabei halten Pod und Schaltwerk ständig Kontakt und verbrauchen so unnötig Strom.

Deshalb ist es eine gute Idee, vor einem stundenlangen Biketransport oder bei längerer Standzeit im Keller den Akku abzunehmen und in der Wohnug aufzubewahren. Das ist auch zum Diebstahlsschutz unterwegs, zum Beispiel an der Hütte, sinnvoll. Der AXS-Akku ist mit einem Clip gesichert und lässt sich leicht von Hand abnehmen oder montieren.

Unser Fazit

Wer über Fahrtechnik, Bikebeherrschung, Ehrgeiz und das nötige Kleingeld verfügt, findet im Santa Cruz Tallboy einen herausragenden und fordernden Partner. Es hat Potenz und Potenzial für anspruchsvolle Touren in jedem Terrain.

Das Santa Cruz Tallboy ist ein außergewöhnlich vielseitiges Bike mit ausgewogenem Leistungsspektrum auf höchstem Niveau. Es kann Touren, Langstrecke, Trails und Downhill, sprintet agil, klettert ausdauernd, fährt satt bergab und meistert dabei jede Strecke.

Ja, es ist teuer, bietet dafür aber beeindruckende Fahrleistungen, sichere, technisch sinnvolle Funktion und punktet mit überdurchschnittlicher Nachhaltigkeit. Das relativiert die hohen Anschaffungskosten ein wenig. An viele endorphin-getränkte Kilometer mit diesem faszinierenden Bike denkt der Tester gerne zurück.

Spezifikationen – Santa Cruz Tallboy CC XO AXS RSV

Rahmen

VPP-Hinterbau, Carbon, mit Alu-Umlenkhebeln, 120 mm Federweg, Steckachse 12×148 mm, Boost Standard

Gabel

Fox Factory 34 Grip2, Kashima Coating, 130 mm Federweg, Steckachse 15×110 mm, Boost-Standard

Dämpfer

Fox Float Factory, 120 mm Federweg

Übersetzung

520 % Übersetzungsbandbreite

Schaltwerk

SRAM Eagle Transmission XO, kabellose elektrische Kettenschaltung

Kurbel

SRAM Eagle XO, 32 Zähne

Kassette

SRAM 1295, 1×12, 10-52 Zähne

Kette

SRAM Eagle Flattop T-Type

Innenlager

SRAM Dub

Bremsen

SRAM Level Disc, vier Kolben; Discs SRAM HS2, 2×180 mm

Felgen

Reserve 30SL, Carbon, 30 mm Maulweite, 28 Speichen, verstärkte Speichenbereiche, Fillmore-Ventile

Reifen

Maxxis Forekaster WT 3C Maxxterra EXO, 29 x 2.4 Zoll, tubeless

Naben

Lenker

Santa Cruz Riser Carbon Bar, 800 mm Breite

Sattelstütze

OneUp V2 Onefifty, 150 mm absenkbar

Sattel

WTB Silverado

Gewicht

12,8 Kilogramm (ohne Pedale)

Max. zul. Gesamtgewicht

148 Kilogramm (135 Kilogramm Fahrer plus 13 Kilogramm Bike)

erhältliche Größen

XS, S, M, L, XL, XXL (fett: getestet)

Preis

9999 Euro (Stand: Dezember 2023)

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