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Traum-Radreise in Etappen auf der Insel Kreta

Wo die erste Hochkultur Europas entstand, möchte jeder Reisende einmal gewesen sein. Radfahrer, die neben schöner Landschaft, gutem Essen und sportlichen Herausforderungen auch kulturelle Ziele suchen, finden auf Griechenlands größter Insel Kreta ihr persönliches Paradies.

 Inhalt

 | Radreise Kreta

Es dämmert schon, als wir müde und erschöpft nach einer langen Etappe an Kretas Südküste fünfhundert Höhenmeter in die abgeschiedene Bucht von Ágios Pávlos hinunterfahren. Die Frau an der Rezeption des einzigen Hotels scheint uns unsere Erschöpfung nicht anzusehen. Das Haupthaus sei leider ausgebucht, aber wir könnten gerne in einer Dependance oben am Berg wohnen. Leicht schockiert nehmen wir den Schlüssel entgegen. Bevor wir uns wieder auf den mühsamen Anstieg machen, wollen wir uns wenigstens noch kurz die kleine Bucht ansehen.

Da bemerken wir ein Schild mit der Aufschrift „Taverna Mama Eva – Rent Rooms“. Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, wo in dem Rohbau eine Taverne, geschweige denn Zimmer sein sollen. Trotzdem beschließen wir sofort: Hier bleiben wir. Mama Eva entspricht vollkommen dem Klischee einer alten Bilderbuch-Griechin. Freudestrahlend springt sie auf und zeigt uns ein einfaches, aber sehr nettes Zimmer. Später essen wir in einem romantischen kleinen Garten zu Abend. Unter Girlanden serviert uns Evas Tochter frisch zubereitete Köstlichkeiten.

Bei Raki und Wein sitzen wir noch lange unter dem Sternenhimmel und lassen die letzten Tage Revue passieren. Als wir zahlen wollen, sitzt die Mama schlafend vor ihrem Haus. In der kretischen Provinz wird eine Taverne erst geschlossen, wenn der letzte Gast geht. Die Gastfreundschaft der Griechen ist legendär, doch die der Kreter übertrifft unsere Erwartungen.

Die Gastfreundschaft auf Kreta ist unübertroffen

Wer auf Kreta radelt, taucht schnell ein in eine fremde, faszinierende Landschaft. Hohe, einsame Gebirge, fruchtbare und liebliche Hochebenen, wilde Schluchten, schroffe Steilküsten und feinsandige Traumstrände – alles auf einer Tagesetappe zu erleben. Dazu reizvolle Städte und Ortschaften mit byzantinischen, osmanischen und venezianischen Baustilen.

Einzigartig machen Kreta jedoch 5000 Jahre Kulturgeschichte. Die Zeugnisse der ersten europäischen Hochkultur der Minoer, die sich unter anderem in den Ausgrabungen von Knossós und Festós oder im Archäologischen Museum in Heráklion besichtigen lassen, ziehen den Besucher in ihren Bann. Der jahrtausendelange Austausch mit fremden Kulturen sowie die Abgeschiedenheit vom griechischen Festland prägen die stolzen, dem Gast gegenüber aber immer aufgeschlossenen Inselbewohner.

Durch die Lefká Ori nach Elafonísi im Südwesten Kretas

Wir meiden die touristische Nordküste und starten im Hafenstädtchen Chaniá. Unser Ziel ist Heráklion. In 14 Tagen wollen wir den Südwesten Kretas mit Rad und Schiff erkunden. Unsere erste Etappe durch die Lefká Óri, die „weißen Berge“, ist bei leichten Steigungen noch sehr moderat. Kurz vor Elafonísi kommen uns die letzten Mietwagen der Sonnenanbeter entgegen, die tagsüber den weißen Sandstrand bevölkern.

Am Abend haben wir die traumhafte Bucht ganz für uns allein. Die vermeintlich kurze Etappe am nächsten Tag erweist sich als eine der schwierigsten Strecken unserer Reise. Gefühlte Ewigkeiten kämpfen wir uns eine nicht enden wollende Schotterpiste bergauf. Ein heftiger Platzregen überrascht uns so blitzartig, dass wir unsere Regenkleidung lieber gleich in den Packtaschen lassen. Endlich wieder am Meer legen wir uns in den warmen Sand und überlegen, welche leckeren Vorspeisen wir uns zum Abendessen bestellen.

Im Süden Kretas erreicht man manche Orte nicht mal mit dem Rad

Früh am nächsten Tag besteigen wir die „Neptune“. Das Schiff fährt entlang der steilen, von der Sonne ausgezehrten Südküste mit einigen Zwischenstopps nach Loutró. Als wir von Bord gehen, fühlen wir uns plötzlich ziemlich deplatziert. In dem pittoresken, von der restlichen Insel abgeschnittenen Fischerort haben mangels Straßen nicht einmal die Kinder ein Rad. So verschwinden die Tourenräder schnell in unserer Pension, und wir passen uns für einen Tag der mediterranen Gelassenheit der Einwohner an.

Palmenoase und Hochkultur

Nach einer kurzen Überfahrt schwingen wir uns ab Chóra Sfakíon endlich wieder in den Sattel. In den vier Tagen nach Mátala, dem südlichsten Punkt unserer Tour, füllt sich das Reisetagebuch mit unvergesslichen Erlebnissen. Manchmal führen feinsandige Pisten direkt am Meer entlang, dann wieder zieht die Straße in weitem Bogen durch kleine Dörfer ins Bergland, oft mit wunderbaren Ausblicken weit über das Libysche Meer. Ein Highlight ist der Badestopp am Strand von Prevéli. Ein eiskalter Süßwasserfluss speist eine Palmenoase.

Der zauberhafte Ort wirkt wie das Tor zur arabischen Welt. 2010 wurde das Naturwunder von einem verheerenden Feuer heimgesucht. Zum Glück haben sich bereits nach einem Jahr die Palmen davon erholt. Nur einige schwarze Stämme zeugen noch von dem Flächenbrand. Auch ein Abstecher in die Minoische Ausgrabung von Festós darf nicht fehlen. Viel weniger rekonstruiert als das berühmte Knossós zeugt sie eindrucksvoll von der Erhabenheit dieser frühen Kultur.

Europa, die Römer und Hippies

Mátala hat eine bemerkenswerte Geschichte. Hier ging wohl einst der lüsterne Zeus mit der entführten Europa an Land. In der Jungsteinzeit wurden die Wohnhöhlen in den Fels gegraben, die man noch heute besichtigen kann. Später nutzten die Römer Mátala als Hafen, und in den wilden 60er und 70er Jahren kamen die Hippies. Ein paar Blumenkinder sind geblieben und verleihen dem Badeort auch heute noch ein Flair von Unangepasstheit und Freiheit. Auch wir geben uns für ein paar Tage dem süßen Nichtstun hin.

Über das hohe Ída-Gebirge, der Geburtsstädte des Zeus

Nach einer Fahrt durch die fruchtbare Messará-Ebene, die Kornkammer Kretas, bewundern wir die antike Hauptstadt Górtis. Wir sind jetzt fit für unsere Königsetappe quer durch das Ída-Gebirgsmassiv. Stunde um Stunde schrauben wir uns den gewaltigen Bergrücken empor. Die einzigen Zeugen: ein paar Ziegen und zwei entgegenkommende Pick-ups. Irgendwann wird die Straße zur Schotterpiste. Totale Einsamkeit. Plötzlich fliegen keine zehn Meter vor uns fünf riesige Geier aus den Bäumen und kreisen noch lange über unseren Köpfen.

Am späten Nachmittag haben wir den höchsten Punkt erreicht. In einer heruntergekommenen Taverne auf der Nída-Hochebene stärken wir uns mit einem Bergtee, dann geht es endlich auf die ersehnte Abfahrt. Mit jedem Meter wird es wärmer und sonniger. Erschöpft, aber glücklich erreichen wir nach neun Stunden im Sattel das Ziel unserer Reise: die Altstadt von Heráklion.

Karte und Höhenprofil

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Radreise Kreta

Infos

Charakter

Kreta ist mit 260 km Länge und bis zu 60 km Breite die größte Insel Griechenlands. Drei Gebirgszüge (Lefká Óri, Ída- und Díkti-Gebirge) mit fast 2.500 Meter hohen Gipfeln fordern Kondition, verleihen aber der Insel eine gewaltige landschaftliche Vielfalt. außer der großen Hauptroute E75 im Norden sind fast alle Straßen gut mit dem Rad zu befahren. Im Süden der Insel herrscht kaum Autoverkehr.

Tourstart

West-Kreta in 8 Radetappen und 1 Schiffspassage

  1. Chaniá – Elafonísi; 79 km / 1.200 Höhenmeter; lang und mittelschwer bis schwer
  2. Elafonísi – Paleochora; 28 km / 800 Höhenmeter; kurz aber anspruchsvoll
  3. Paleochóra – Agia Rouméli – Loutró – Chóra Sfakíon; Schifffahrt; ca. 4–5 Stunden
  4. Chóra Sfakíon – Frangokástello – Plakiás; 37 km / 780 Höhenmeter; mittelschwer
  5. Plakiás – Préveli – Ágios Pávlos; 45 km / 1270 Höhenmeter; lang und anspruchsvoll
  6. Ágios Pávlos – Mélambes – Agía Galíni; 30 km / 790 Höhenmeter; mittelschwer
  7. Agía Galíni – Agía Triáda – Festós – Mátala; 31 km / 660 Höhenmeter; leicht
  8. Mátala – Ágii Déka – Górtis – Zarós; 50 km / 860 Höhenmeter; mittelschwer
  9. Zarós – Gérgeri – Nída-Hochebene – Anógia – Heráklion: 95 km / 2.000 Höhenmeter; sehr lang und anspruchsvoll

Beste Reisezeit

von April bis Mitte Juni und von Mitte September bis Ende Oktober. Die Hauptsaison im Hochsommer ist zu heiß zum Radfahren. 

Anreise

Direktflüge von mehreren deutschen Flughäfen gibt es zwischen April und Oktober. Die meisten Flüge landen in Heráklion, aber auch Chaniá wird angeflogen. außerhalb der Saison kann man per Linienflug via Athen fliegen. Von der Landeshauptstadt geht’s per Inlandsflug in 50 Minuten oder wesentlich günstiger in 6 – 9 Stunden mit der Fähre nach Kreta. Fahrräder können bei vielen Fluggesellschaften als Sondergepäck aufgegeben werden.

Übernachten

In der Nebensaison bekommt man ohne Vorbuchung in jedem Ort problemlos Zimmer. Üblicherweise kann man sich die Zimmer ansehen, bevor man sich entscheidet. Meist sind sie einfach möbliert, aber sauber, die sanitären Einrichtungen gut. Die Preise liegen zwischen 30 Euro (ohne Frühstück) und 45 euro (mit Frühstück). Nicht entgehen lassen sollte man sich die Pension „Keramos“ in Zarós. Die Zimmer sind liebevoll eingerichtet, und die Wirtin zaubert ein Frühstück aus 16 frisch Zubereiteten Köstlichkeiten von der mit Schafskäse und Honig gefüllten Pita bis zu Teigtaschen mit Orangencreme.

Sehenswert

Chaniá mit seinem venezianischen Hafen aus dem 14. Jahrhundert.
Strand von Elafonísi: Südsee-Flair mit rosa Sand und türkisblaues, glasklares Wasser.
Loutró: das Fischerdörfchen ist nicht per Auto zu erreichen. Ein herrlicher Ort zum Entspannen.
Palmenoase von Prevéli: ein eiskalter Süßwasserfluss zieht durche einen Palmenhain zum Traumstrand.
Festós: die minoische Ausgrabung wurde behutsamer restauriert als das berühmtere Knossós.
Mátala:
noch immer ein Sehnsuchtsort für Hippies und Aussteiger
Knossós:
das kulturelle Highlight der Insel Kreta muss man besucht haben.

Landkarten

Anavasi Edition Topo 100-Karten, Maßstab 1 : 100.000; „Nr. 92 Lasithi“, „Nr. 93 Iraklio Rethimno“, „Nr. 94 Chania“; wasserfeste und reißfeste Karten mit gutem Kartenbild und Höhenlinien, alle Ortsnamen in griechischer und lateinischer Schrift; je 10,90 Euro (vor Ort und in Deutschland erhältlich). www.anavasi.gr

Reiseführer

Kreta Reisehandbuch, Michael Müller Verlag, 26,90 Euro; sehr ausführlicher, aktueller Reiseführer. Zu fast jedem Ort findet man praktische Informationen.

Tourist-Infos

Griechische Zentrale für Fremdenverkehr
Holzgraben 31
60313 Frankfurt
Tel. 069/257827-0

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